von Christian Sobeck

Friedrich Lorenz Schmidt wurde am 08. Januar 1886 als achtes Kind des Strumpfwirkers und Materialwarenhändlers Ferdinand Schmidt und seiner Frau Amalie, geb. Lotter, in der Windmühlenstraße 19 in Zeulenroda geboren. Von 1892 bis 1900 besuchte er die hiesige Bürgerschule, anschließend bis 1905 das Fürstliche Reußische Lehrerseminar zu Greiz. Seit dem 21. März 1905 wirkte Schmidt als Schulvikar in Zeulenroda. Nach dem abgelegten Staatsexamen erhielt er am 01. April 1907 eine ständige Lehrerstelle in Zeulenroda und blieb bis zum 31. Januar 1954 in diesem Amt.

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde Schmidt zum Militär eingezogen. Er diente als Landsturmmann in den Reserve-Infantrie-Regimentern 72 und 235 und wurde für seine persönliche Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse ausgezeichnet. Zu Ende der für die deutschen Truppen erfolgreichen Abwehrschlacht an der Aisne (16. April 1917 – 27. Mai 1917) zog er sich eine schwere Kriegsverletzung zu, welche ihn bis in den Sommer 1918 ins Lazarett brachte und sein weiteres Leben lang beim Gehen behindern sollte.

Nach der Rückkehr in die Heimat widmete er sich wieder seiner Tätigkeit als Lehrer und gab zehn Jahre lang Volkshochschulkurse in deutscher Literaturgeschichte sowie in heimatkundlicher Stadtgeschichte. Bereits während seines Lazarettaufenthaltes war in Schmidt der Gedanke gereift, die Geschichte seiner Heimatstadt zu bearbeiten. Er äußerte sich diesbezüglich:

„Als ich 1918 als schwerverletzter Feldsoldat nach monatelangem Krankenlager wegen dauernder Kriegsuntauglichkeit in die Heimat entlassen wurde und auf vieles verzichten mußte, womit ich früher meine Mußestunden auszufüllen gewöhnt war, reifte in mir der Entschluß, einen Plan ernstlich in Angriff zu nehmen, mit dem ich schon als junger Lehrer in Gedanken gespielt hatte: die Geschichte meiner Vaterstadt zu schreiben und damit in erster Linie dem Heimatunterricht in der Schule eine gesicherte Grundlage und ferner den zahlreichen Freunden heimatlichen Lebens in unserer Bürgerschaft und in der Fremde eine wissenschaftliche möglichst einwandfreie Darstellung der siebenhundertjährigen Entwicklung unserer Heimatstadt zu geben.“

 

Im Sommersemester 1925 und im Wintersemester 1925/26 besuchte Schmidt propädeutische Kurse am Historischen Seminar der Universität Jena bei Prof. Dr. Friedrich Schneider, wo er das wissenschaftliche Rüstzeug für seine Forschungen erwarb. Später unterstützte Prof. Dr. Schneider in seiner Funktion als Archivrat und Vorstand des Thüringischen Landesarchivs Greiz Schmidt bei seinen historischen Forschungen. Außerdem besuchte Schmidt am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Jena Seminare bei Prof. Dr. Paul Weber.

Schmidt hatte sich bereits in jungen Jahren mit der Geschichte Zeulenrodas befaßt. Erstmals erschienen 1912 heimatkundliche Beiträge aus seiner Feder im „Reußischen Anzeiger“. Im Laufe seines Lebens sollten mehr als 100 stadt- und heimatgeschichtliche Aufsätze folgen. Zudem verfaßte er das Buch „Tot oder vermißt. Ein Denkmal für Zeulenrodas Opfer im Weltkrieg“ (1926) sowie den historischen Roman „Fahrende Gesellen“ (1938). Sein bedeutendstes Werk ist aber zweifellos die zweibändige „Geschichte der Stadt Zeulenroda im thüringischen Vogtland“ (1935-1953), welche in vier Teilen erschien. Die Vorarbeiten zu diesem umfangreichen Werk begannen auf Anregung der Zeulenrodaer Firma Oberreuter bereits 1924. Doch sollte es bis 1935 dauern, ehe der erste Teilband zur Druckreife gediehen war. Die sich chronologisch und thematisch anschließenden Teilbände erschienen in den Jahren zwischen 1938 und 1953. Schmidts Darstellung der Zeulenrodaer Stadtgeschichte ist bis zum heutigen Tage unübertroffenes Standardwerk bei Fragen zur Stadt- und engeren Regionalgeschichte. Nur wenige Städte von Zeulenrodas Größe können sich einer Darstellung ihrer Stadtgeschichte rühmen, wie sie Schmidt verfaßte.

Zudem war Schmidt zwischen 1925 und 1946 Vorsitzender des Museumsausschusses. 1926 betraute ihn der damalige Bürgermeister Dr. Paul Breimann mit der Leitung des „Städtischen Kunstgewerbe- und Heimatmuseums“ sowie 1931 mit der Verwaltung des Stadtarchivs – beides im Ehrenamte. Ein weiterer großer Verdienst Schmidts besteht darin, daß er 1933 mit einigen Gewerkschaftlern die Zeulenrodaer Gewerkschaftsbibliothek vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten bewahrte. Mit dem damaligen Museumshausmann Walter Fratscher wurde diese Bibliothek in einem Raum im Museum eingemauert und 1945 in die Bestände des Städtischen Museum übernommen. Heute existieren in ganz Deutschland nur noch drei Gewerkschaftsbibliotheken aus der Zeit vor 1933.

In Anbetracht seiner Verdienste um die Bearbeitung der Geschichte seiner Heimatstadt ernannte der Bürgermeister der Stadt Zeulenroda, Dr. Walter Söffner, Schmidt am 02. August 1938 zum ehrenamtlichen Stadtarchivar. Doch als Schmidt der Aufforderung der Reichsschrifttumskammer unter ihrem damaligen Präsidenten Hanns Johst, dieser NS-Organisation beizutreten, nicht nachkam, erhielt er ab 1941 bis zum Ende des „Dritten Reiches“ 1945 Schreibverbot.
Nach 1945 berief der Rat der Stadt Schmidt in die Kulturkommission, wo er zu den Mitbegründern der Zeulenrodaer Ortsgruppe des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ zählte und einige Jahre sogar dessen Vorsitzender war. Seit 1952 war er als ehrenamtlicher Kreisberater im Denkschutz des neu gegründeten Kreis Zeulenroda tätig und redigierte zudem seit 1952 die Jahrbücher des Museums Reichenfels. Wie bereits während des Nationalsozialismus bewies Schmidt auch während der DDR-Diktatur politische Unabhängigkeit und war trotz seiner zahlreichen Ämter in der Kulturbranche niemals Parteimitglied der SED.

Seit dem 01. September 1954 wirkte Schmidt als hauptamtlicher Archivar und erhielt 1958 das Prädikat "Staatlich geprüfter Archivar". Den Höhepunkt der Anerkennung für Schmidts jahrzehntelange wissenschaftliche Arbeit stellt wohl die Verleihung der Leibnitzmedaille durch die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahre 1968 dar. Im Oktober 1969 verließ er schließlich seine jahrzehntelange Wirkungsstätte Zeulenroda und zog zu seiner Tochter nach Wilhelmshorst bei Potsdam und verstarb dort am 30. Juli 1970.

Im Jahre 1994 ehrte die Stadt Zeulenroda ihren bedeutenden Sohn, indem sie einer Straße im Flurteil Unterer Stäudicht seinen Namen verlieh. Mögen die nachfolgenden Generationen das Gedächtnis an den bedeutendsten Erforscher und Bearbeiter der Zeulenrodaer Stadtgeschichte stets bewahren und sein bleibendes Werk auch künftig zu würdigen wissen.

„Wer nicht weiß, was vor seiner Geburt geschehen ist,
wird auf ewig immer ein Kind bleiben“

Marcus Tullius Cicero

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